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Das Prinzip der Trilogie

Bestimmt ein Thema, über das schon viel geschrieben wurde, das mir aber immer wieder aufs Neue begegnet.

Enthält Spoiler.

 

Das Prinzip der Trilogie

Beim Schreiben meiner eigenen Fantasy-Geschichte fiel mir auf, dass ich instinktiv in ein altes Muster verfiel, das bereits von vielen erfolgreichen (Drehbuch-)Autoren angewandt wurde: Das Prinzip, eine Geschichte in drei Teile zu gliedern, eine Trilogie. Dabei sollten es ursprünglich nur zwei werden, eine kleinere Erzählung und eine größere. Dabei fiel mir jedoch auf, dass dies gleichzeitig die Grundstruktur der meisten Trilogien ist, die sich ebenfalls, grob gesagt, in zwei Handlungsblöcke unterteilen lassen. Zuerst begegnete mir dieses Schema bei der Die Gilde der Schwarzen Magier-Reihe von Trudi Canavan, es lässt sich aber auch auf den Herrn der Ringe, Star Wars, Avatar – The Last Airbender und viele andere Werke anwenden.

Der erste Handlungsblock ist meist deckungsgleich mit dem ersten Teil, d.h. Band oder Film, einer Reihe, wohingegen der zweite und dritte Teil den zweiten Handlungsblock bilden. Das Prinzip dahinter ist einfach: Der erste Teil einer Reihe sollte immer einen überschaubaren Handlungsbogen besitzen, der bereits am Ende des Buches zu einem zufriedenstellenden Ende führt, damit die Leser geködert werden und Lust auf mehr bekommen. Dieser erste Teil sollte keine zu weitschweifende Handlung bekommen, denn hier geht es darum, die Welt sowie die Charaktere einzuführen und dem Leser nahe zu bringen. Harry Potter ist ein ideales Beispiel dafür. Die Handlung von Der Stein der Weisen beschäftigt sich vollständig mit Harrys Initiierung in die Welt der Magie, der Einführung der wichtigsten Figuren der Reihe – Ron, Hermine, Hagrid, Dumbledore, Snape uvm. – sowie einem klar strukturierten (Krimi)Plot, der sich um den titelgebenden Stein der Weisen dreht. Die wichtigen Fragen (Wer? Wie? Warum?) werden alle in diesem Band beantwortet, der Stein der Weisen-Handlungsbogen wird am Ende mit Harrys Triumph abgeschlossen, das Rahmen-gebende Schuljahr geht zu Ende und der Kreis schließt sich. Nach diesem Schema funktionieren auch noch die nächsten zwei Bände der Reihe, die in einer Trilogie folglich den ersten Teil bilden würden. (Der zweite Teil wären Band vier und fünf, die sich mit Voldemorts Rückkehr beschäftigen und der dritte dann der offene Kampf gegen Voldemort in Buch 6 und 7.)

Das Gleiche findet sich auch in Star Wars: Hier bildet die Zerstörung des Todessterns den ersten Plot, der mit dem Sieg der Rebellen und der Festigung des Trios Luke/Leia/Han glücklich zu Ende gebracht wird. Es gibt sogar eine festliche Siegerehrung mit toller Marschmusik. Einzig das Überleben Darth Vaders trübt die Idylle, man ahnt, dass diese Figur noch einmal wichtig wird. Folglich bildet das große Skywalker-Familiendrama, das im ersten Teil nur minimal angeschnitten wurde, die Basis für den Plot von Film 2 und 3.

Ebenso Tolkiens Herr der Ringe, der vom Verlag bewusst in drei Teilen veröffentlicht wurde und diese Strukturen z.T. begründet hat, wenngleich auf schwer zu vereinfachende Art, da er als Genre-bestimmendes Werk gleichzeitig auch am wenigsten auf etablierten Konventionen aufbauen kann. Die Handlung des ersten Bandes dreht sich, wie der Titel schon verspricht, um das Zusammenfinden und die anschließende Reise der Gefährten. Am Endes des Buches zerbricht folglich die Gemeinschaft und splittet sich in die Gruppen auf, die auch für den überwiegenden Teil der weiteren Bände bestehen bleiben: Frodo/Sam und Aragorn/Gimli/Legolas + restliche Charaktere, die nun jeweils abwechselnd ein Buch der Erzählung erhalten. Band 2 (bzw. 3+4) und 3 (5+6) befassen sich dann mit dem tatsächlichen Ringkrieg bzw. Frodos und Sams Mission, den Ring zu zerstören, welche erst jetzt wirklich Gestalt annimmt.

In besonders klarer Form findet man die Struktur bei der Gilden-Reihe von Canavan. Der erste Teil handelt von der Entdeckung der Protagonistin, magische Fähigkeiten zu besitzen und ihrer anschließenden Flucht vor der Magiergilde, die sie für sich beansprucht. Dieser Handlungsstrang wird komplett abgeschlossen durch die Tatsache, dass Sonea am Ende von der Gilde gefunden und in diese aufgenommen wird. Wie bei allen Trilogien befindet sich der Konflikt des ersten Handlungsblockes auf einer deutlich weniger komplexen Ebene als der des zweiten, welcher sich oftmals nicht ohne große Verluste lösen lässt bzw. zu einem bittersüßen Ende führt. Band 2 und 3 der „Gilde“ bilden im Prinzip einen großer Handlungsbogen, in dem es um die Bedrohung Kyralias durch das Land Sachaka geht, ein Kampf, für den Sonea schließlich alles bis auf das eigene Leben opfern muss. Auch die Harry Potter-Bücher 4-7 sind, verbunden durch den Konflikt der erneuten Machtergreifung Voldemorts, in ihrem Ton deutlich düsterer als die drei Vorgänger und können trotz des Sieges über Voldemort wegen der vielen Verluste kein reines Happy End bieten.

Grundsätzlich ist der zweite Teil einer Trilogie meist der düsterste, was ihn auch oft zum unbeliebtesten Teil macht – oder zum beliebtesten, wenn man es richtig macht, wie im Falle von The Empire Strikes Back. Meist endet Teil 2 mit einer Niederlage oder einem Cliffhanger. Luke und Han werden besiegt und müssen leiden; die „Nebuchadnezzar“ und alle anderen Schiffe werden ausgelöscht; Frodo wird von Kankra fast umgebracht; Aang stirbt ebenfalls beinahe, während Zuko sich gegen seinen Onkel stellt und zur Fire Nation zurückkehrt. Der zweite Teil „erhöht den Einsatz“, hier geht es nicht mehr darum, den Leser zu begeistern, sondern darum, die Grundlage für den finalen Kampf zu legen. Es wird demonstriert, wie viel auf dem Spiel steht, um die Spannung maximal zu steigern. Dennoch sollte am Ende auch immer ein Funken Hoffnung aufflackern, um den Leser nicht vollends zu desillusionieren. Ich muss hierbei an meine Reaktion auf die gekürzte Schulausgabe des Herrn der Ringe denken, die ich in der 6. Klasse in Deutsch lesen sollte. Diese Ausgabe endet (bis auf ein Kapitel aus dem 5. Buch) mit Frodos vermeintlicher Tötung durch Kankra, ohne aufzulösen, dass Frodo tatsächlich überlebt hat. Ich war geschockt, dass der Held der Geschichte, my once and future favourite character, schon am Ende vom zweiten Teil ums Leben kommen sollte. Schon damals begeisterte mich die Aussicht, einen kompletten dritten Band nur über Aragorns Abenteuer zu lesen, ganz und gar nicht und ich beschloss wütend, „dieses bescheuerte Buch“ nie wieder zur Hand zu nehmen. Nun ja. Unabhängig davon, dass es der Ausgabe nicht ganz gelungen ist, mich komplett von Tolkien zu entfremden, sollte man niemals einem instalment ein gänzlich schwarzes Ende verpassen. Warum sonst sollte sich der Leser auch die Fortsetzung antun? Deshalb der kleine Lichtblick am Ende des zweiten Teils: Luke und Leia sehen gemeinsam in die Sterne, Neo entdeckt, dass er die Sentinels mit der Kraft seines Willens zerstören kann, Distrikt 13 entpuppt sich als existent und Frodo ist doch nicht tot (oh Wunder!).

Der dritte Teil ist narratologisch betrachtet nun derjenige, der niemals allein gelesen werden sollte und aufgrund seiner Struktur oftmals der qualitativ schwächste ist, so meiner Meinung nach zum Beispiel The Return of the Jedi/King, wobei ich zugeben muss, beide auf emotionaler Ebene trotzdem mehr zu mögen als den jeweiligen ersten Teil – ich bevorzuge eben das große Drama. Im dritten Teil sollte man nun keine wichtigen Figuren oder Elemente mehr einführen, sondern einfach die bereits bestehenden Handlungsfäden zu einem zufriedenstellenden Ende bringen. Eine Reihe steht und fällt also mit dem Mittelteil, denn was dieser nicht ausreichend vorbereitet hat, kann durch keinen Deus Ex Machina mehr gerettet werden. Nun entscheidet sich, welches Ende die Geschichte nimmt. Meist ist es eine von zwei Optionen. 1. Die allseits beliebte und in Fantasy-Romanen notorische Wiederherstellung des Status Quo oder 2. der Umsturz der bestehenden Ordnung und komplette Neuanfang. Oft ist dieser große Neubeginn jedoch nichts weiter als 1., bloß, dass der Status Quo vor Beginn der eigentlichen Geschichte lag. Beispiele hierfür sind z.B. Star Wars und (stark vereinfacht) Der Herr der Ringe und ich vermute, dass auch George R.R. Martins Lied von Eis und Feuer diesen Weg einschlagen wird. Echte Neuanfänge trauen sich nur wenige, diese nehmen meist sehr drastische Züge an wie das Ende der Matrix-Trilogie. Ich persönlich bin ein Freund von 1., auch wenn es klischeebehaftet ist. Aber es ist ja nicht alles schlecht an der Fantasy-Tradition.

Natürlich ist dieses Schema nur sehr grob formuliert und in vielen Punkten angreifbar. Man kann sich z.B. darüber streiten, ob Tolkiens Bücher in das sehr grobe „Gutes Ende/tragisches Ende/finale Auflösung mit meist gutem Ende“-Schema passen, welches ich hier definiert habe. Wir reden hier schließlich von Tolkien, einem der großen Vertreter des Pessimismus, dessen Bücher aus Prinzip nie gut ausgehen. Doch von ihnen allen hat der 1. Teil definitiv das am wenigsten traurige Ende (man erinnere sich daran, dass Boromir erst zu Beginn des zweiten Buches stirbt), somit fügt er sich wieder in das Schema.

Sicher wird es auch Werke geben, die sich entweder nicht in das Trilogien-Format zwängen lassen oder, obwohl sie aus drei Bänden bestehen, eine andere Struktur aufweisen (auch wenn mir gerade kein Beispiel einfällt). Ich weise hier lediglich auf ein sehr erfolgreiches Modell hin, das vergleichsweise einfach umzusetzen ist. Deshalb wird es sich auch in meiner bereits angesprochenen Reihe finden lassen, die nun leider auch zur Trilogie geworden ist. Zwar bin ich immer für Neuheiten zu begeistern, aber man muss ja auch nicht das Rad neu erfinden. Schon gar nicht in der Fantasy, wo ohnehin alles auf bereits Bekanntem aufbaut. Deshalb dürfen meine Protagonisten jetzt brav im ersten Teil einen MacGuffin suchen und einen geringeren Bösewicht besiegen, um sich dann im zweiten und dritten Band einer viel größeren Bedrohung zu stellen. Nicht besonders innovativ, aber es ist ein Gerüst, auf dem man aufbauen kann. Um wirklich subversiv schreiben zu können, muss man ja auf bereits Bekanntes Bezug nehmen. Ohne System kein Systemwechsel. Und, seien wir ganz ehrlich, am Ende sind wir doch alle froh, wenn wir auf halbwegs familiäre Strukturen treffen. Die Kunst besteht daraus, die liebgewonnen Strukturen der Fantasy-Literatur zu nehmen und etwas Neues daraus zu schaffen, das zu unterhalten vermag und dieses Genre bereichert.